Rationsgestaltung in der Schweinemast
Optimierung der Schweinefütterung durch Nettoenergie?
Der Schlüssel zu einer erfolgreichen und ökonomischen Mast liegt vor allem in einer bedarfsgerechten Fütterung. Um das Wachstumspotenzial der Schweine voll zu entfalten, sollten Betriebsleiter*innen nicht nur darauf achten, Mastschweine mit allen wichtigen Nährstoffen zu versorgen. Ein reduzierter Rohproteingehalt in Verbindung mit einer auf die praecaecale Verdaulichkeit ausgerichteten Versorgung mit Aminosäuren senkt Futterkosten und den Stickstoffanfall in der Gülle. Schließlich hilft eine Beurteilung des Futters gemäß Nettoenergie Energieüberschüsse und damit ein Verfetten der Schweine zu vermeiden. Jedoch ist das vielversprechende Bewertungssystem nach wie vor umstritten – zu Unrecht...
Eine Überversorgung mit Rohprotein gilt es in der Mast unbedingt zu vermeiden. Zum einen führt eine übermäßige Zufuhr von Eiweiß zu einem vermehrten Stickstoffanfall in der Gülle. Zum anderen wird der Organismus unnötig belastet. Jedes überschüssige Gramm aufgenommenen Rohproteins müssen Schweine energieaufwendig über Leber und Niere entgiften. Somit gilt: Ein hoher Rohproteingehalt geht nicht immer mit einem Mehrnutzen für die Entwicklung der Schweine einher. Statt ausschließlich auf die Menge des im Futter enthaltenen Rohnährstoffs zu achten, sollte auch dessen Verdaulichkeit Beachtung finden.
Optimierung auf praecaecale Verdaulichkeit reduziert Ausscheidung und Kosten
Je genauer das Nährstoffliefervermögen einer Komponente bekannt ist, desto besser lässt sich die Ration an den Bedarf der Mastschweine anpassen. Aus diesem Grund wird in der Tierernährung seit einigen Jahren die praecaecale Verdaulichkeit (pcv; lat. praecaecal, dt. vor dem Blinddarm) der Aminosäuren berücksichtigt. Die pcv zeigt an, welche Mengen einzelner Aminosäuren Schweine bis zum Ende des Dünndarms enzymatisch abbauen und resorbieren können. Diese stehen für den Erhaltungsbedarf und den Aufbau von Fleisch zur Verfügung. Im Dünndarm nicht resorbiertes Protein gelangt in den Dickdarm, wo es mikrobiell (und nicht von körpereigenen Enzymen) abgebaut und zu Mikrobenprotein aufgebaut wird. Im Gegensatz zum Mikrobenprotein aus dem Pansen von Wiederkäuern können Schweine das Mikrobenprotein aus dem Dünndarm nicht nutzen und scheiden es mit dem Kot ungenutzt aus. Der pcv-Wert gibt somit an, welche Menge an Aminosäuren dem Tier tatsächlich zur Verfügung steht.
Auf diese Weise reduziert eine pcv-optimierte Fütterung übermäßige Nährstoffausscheidungen und zugleich unnötige Futterkosten, da sich Sicherheitsaufschläge beim Rohproteingehalt reduzieren lassen. Die Bedarfswerte für pcv-Aminosäuren sind den Fütterungsempfehlungen der Deutsche Landwirtschafts-Gesellschaft (DLG) zu entnehmen.
Umsetzbare Energie vs. Nettoenergie – Wie unterscheiden sich die Energiebewertungssysteme?
Der Organismus der Schweine in der Mast benötigt Energie, um alle lebenswichtigen Körperfunktionen aufrechtzuerhalten. Der Körper gewinnt diese Energie durch den biochemischen Abbau von Nährstoffen. Je nach Zusammensetzung der Nährstoffe im Futter, nutzt der Organismus der Schweine unterschiedlich viel Energie aus den enthaltenen Einzelkomponenten. Während der Verdauung entstehen verschiedene Zwischenprodukte im intermediären Stoffwechsel. Durch mikrobielle Aktivitäten während der Verdauung entstehen zudem Gase (z. B. Methan) und Harn (enthält energiehaltigen Harnstoff). Diese enthalten ebenfalls Energie, die dem Organismus in Form von Kot, Gas oder Wärme verloren gehen. Zur Beurteilung des Energiegehalts eines Futters existieren unterschiedliche Bewertungssysteme. Diese unterscheiden sich darin, inwieweit sie solche Energieverluste des Organismus berücksichtigen.
Übersicht unterschiedliche Systeme zur Energiebewertung beim Schwein
Die Bruttoenergie (Brennwert) ist eine physikalische Größe, die angibt, wie viel Wärme ein bestimmter Stoff bei seiner Verbrennung freisetzt. Der Gesamtbrennwert eines Futters zeigt somit, wie viel Energie dem Organismus potenziell zur Verfügung steht, berücksichtigt jedoch keine endogenen Verluste.
Beispiel: Haferflocken und Sägespäne besitzen annähernd den gleichen Bruttoenergiewert. Während Haferflocken vom Organismus zur Energiegewinnung genutzt werden können, tendiert der Nährwert der Sägespäne gegen null.
Dies zeigt, dass Bruttoenergie keinesfalls zur Beurteilung des Energiewertes eines Futters herangezogen werden sollte.
Die verdauliche Energie (MJ DE) bezeichnet die Bruttoenergiemenge eines Futters, abzüglich der fäkal ausgeschiedenen Energie.
Die umsetzbare Energie (MJ ME) bezeichnet die Bruttoenergiemenge eines Futtermittels, reduziert um die fäkal ausgeschiedene sowie diejenige Energie, die durch Harn und Methan verloren geht. Dieses Energiebewertungssystem ist seit über 30 Jahren Maßstab für die Energiebewertung von Futtermitteln in Deutschland und beschreibt das potenzielle Leistungsvermögen eines Futtermittels.
Umsetzbare Energie wird mithilfe der folgenden Energieschätzformel berechnet:
ME Schwein (Mj/kg):
- = 0,021503 * Rohprotein (g)
- + 0,032497 *Rohfett (g)
- - 0,021071 * Rohfaser (g)
- + 0,016309 * Stärke (g)
- + 0,014701 * organischer Rest (g)
Darum eignet sich Nettoenergie als adäquates Energiebewertungssystem
Die Bruttoenergie berücksichtigt überhaupt keine endogenen Energieverluste (z. B. durch Kot- und Harnabgabe bzw. Wärmeverluste durch Stoffwechselprozesse). Verdauliche Energie berücksichtigt lediglich die fäkal abgegebene Energie. Beide spiegeln den Energiewert deshalb nicht adäquat wider, der Schweinen in der Mast für Leistung und Erhaltung ihrer Körperfunktionen zur Verfügung steht. Umsetzbare Energie rechnet diese Energieverluste zwar mit ein, doch auch sie bleibt defizitär: Wärmeverluste durch Stoffwechselprozesse bleiben bei der Berechnung auf umsetzbare Energie unberücksichtigt. Je nach Art und Zusammensetzung des Futters kann dies für die Energieberechnung jedoch entscheidend sein und zu großen Unterschieden im Ergebnis führen.
Wie viel Wärmeverluste bei der Verdauung entstehen, hängt von der nährstoffmäßigen Zusammensetzung des Futters ab. Fett und Stärke sind leichtverdauliche Nährstoffe, bei deren Verarbeitung nur wenig Energie in Form von Wärme verloren geht. Anders ist es bei Rohprotein und Rohfaser. Der enzymatische Abbau von Protein ist sehr energieaufwendig. Das bedeutet, wird bei einer Futterration der Rohproteingehalt abgesenkt, enthält das Futter bei gleicher umsetzbarer Energie mehr Nettoenergie, da weniger Energie in Form von Wärme verloren geht. Dieser „Überschuss“ an verfügbarer Energie führt dazu, dass es bei solchen Rationen zu einem fetteren Schlachtkörper kommen kann, obwohl dem Futter ausreichend Aminosäuren supplementiert wurden.
Rationsbeispiel Vormast: Die Berechnung auf Nettoenergie verhindert ein Verfetten
Rechnet man eine Ration nicht mehr nach umsetzbarer, sondern nach Nettoenergie, ergibt sich folgendes Bild: Nach Reduktion des Proteingehalts der Ration sinkt die umsetzbare Energie (ME) bei gleichem Nettoenergiegehalt und pcv-Aminosäuren leicht ab. Fettere Schlachtkörper sind infolge einer Rohproteinabsenkung somit nicht zu erwarten, da die dem Tier zur Verfügung stehende Energie konstant bleibt (s. Tabelle).
Standardration |
Proteinabgesenkt |
Proteinabgesenkt |
|
Energiebewertungssystem |
Umsetzbare Energie (MJ ME) |
Umsetzbare Energie (MJ ME) |
Nettoenergie (MJ NE) |
Weizen |
45 |
48 |
47 |
Gerste |
20 |
20 |
20 |
Triticale |
15 |
15 |
15 |
Soja |
13 |
10 |
8,5 |
Raps |
3 |
3 |
5,5 |
Sojaöl |
0,2 |
0,2 |
0,2 |
Vormischung |
3,8 |
3,8 |
3,8 |
|
Standardration |
Proteinabgesenkt |
Proteinabgesenkt |
Umsetzbare Energie (MJ ME) |
13,4 |
13,4 |
13,3 |
Nettoenergie (MJ NE) |
9,7 |
10 |
9,7 |
Rohprotein |
17 |
16 |
16 |
Rohfaser |
3,4 |
3,4 |
3,6 |
pcv-Lyin |
1 |
1 |
1 |
Die Beispielrechnung zeigt eine Vormastration, bewertet nach verschiedenen Energiesystemen. Speziell bei rohproteinreduzierten Rationen ermöglicht eine Berechnung nach Nettoenergie eine bedarfsgerechte Versorgung bei gleichzeitiger Vermeidung einer Verfettung.
Dieses Ergebnis ist vergleichbar mit einer Optimierung auf pcv-Aminosäuren: Wird auf Basis, der dem Tier verfügbaren Aminosäuren optimiert, lässt sich der Bruttogehalt von Aminosäuren senken. Obwohl also die umsetzbare Energie etwas reduziert wird, steht dem Schwein die gleiche Menge an verfügbarer Energie zur Verfügung.
Bedarfsgerechter füttern mit Nettoenergie
Plädoyer zur Nutzung der Nettoenergie für die Rationsoptimierung
In den Niederlanden und in Frankreich werden Futterrationen bereits seit Jahren erfolgreich auf Basis der Nettoenergie konzipiert. Auch die großen niederländischen Betriebe in Deutschland nutzen Futtermischungen, die auf Basis der Nettoenergie berechnet sind. Die langjährigen guten Erfahrungen und positiven Ergebnisse sprechen für eine Optimierung der Futtermittel auf Basis der Nettoenergie und der pcv-Aminosäuren.
Da die Nettoenergie Verdaulichkeitswerte der Komponenten berücksichtigt (ebenso wie bei den pcv-Aminosäuren), lässt sich die Nettoenergie im Gegensatz zur umsetzbaren Energie nicht anhand der Rohnährstoffe (ermittelt nach der Weender Futtermittelanalyse) berechnen. Werden pcv-Verdaulichkeit der Aminosäuren und die Nettoenergie berücksichtigt, erlaubt dies eine genauere Mischungsformulierung und hilft gleichzeitig, Futterkosten zu senken. Allein unter den aktuellen Diskussionen der Nährstoffreduktion in der Gülle und dem Ziel, die Sojaschrotimporte zu senken, steht mit der Nettoenergie ein geeignetes Mittel bereit, die Schweine bei hohen Tageszunahmen bedarfsgerecht zu versorgen. Auch aus ökonomischer Sicht ist es notwendig, Futtermittel so präzise wie möglich anhand Energiegehalts zu kalkulieren, der auch tatsächlich von Schweinen nutzbar ist. So lässt sich die Wirtschaftlichkeit der Schweinemast optimieren.
Warum wird immer noch mit umsetzbarer und nicht mit Nettoenergie gerechnet?
Nach deutschem Futtermittelrecht ist die Deklaration der Energie nicht vorgeschrieben. Werden die Energieangaben bei Schweinefutter jedoch ausgewiesen, müssen diese rechtlich verbindlich in umsetzbarer Energie erfolgen. Der Grund: Zur Ermittlung der umsetzbaren Energie existiert eine offizielle Schätzformel (s. Tab oben) mit deren Hilfe jeder Mischfutterhersteller in Deutschland die deklarierte Energie verpflichtend berechnen muss.
Bei der Nettoenergie sieht das anders aus. Für ihre Berechnung gibt es verschiedene Formeln: das niederländische und das französische System. Beide Systeme sind zwar weitestgehend miteinander vergleichbar, unterscheiden sich jedoch in Bezug auf einzelne Leistungsabschnitte. Weder für Deutschland noch in der Europäischen Union (EU) existieren einheitliche Regelungen zur Berechnung des Nettoenergiegehalts. Mischfutterherstellen dürfen die Nettoenergie ihrer Futter deshalb nicht auf dem Sackanhänger oder auf dem Lieferschein deklarieren.
Gesellschaften wie die Europäische Vereinigung für Tierproduktion (European Federation of Animal Science, EAAP) sind bestrebt, die Futterbewertungssysteme in Europa zu harmonisieren und für den Sektor Schwein ein einheitliches Nettoenergiesystem einzuführen – schließlich kennt das EU-Futtermittelrecht bislang keine Festlegung bestimmter Energiemaßstäbe für Schweine. Die Bemühungen verliefen bislang jedoch erfolglos.
Fazit
- Eine bedarfsgerechte und wirtschaftliche Versorgung von Mastschweinen sollte Über- und Unterversorgungen vermeiden.
- Eine optimale Mastration ist rohproteinreduziert, auf die pcv-Verdaulichkeit der Aminosäuren ausgerichtet und mit Hilft der Nettoenergie berechnet.
- Nettoenergie berücksichtigt alle relevanten endogenen Energieverluste eines Futters und eignet sich deshalb ideal zur Berechnung der Futterenergie und damit zur Rationsoptimierung.
- Die guten Erfahrungen in Frankreich und den Niederlanden, die seit Jahren nach Nettoenergie berechnen, sprechen für die Verwendung dieses Energiebewertungssystems.
Weiterführende Informationen
- Fütterungsempfehlungen der Deutsche Landwirtschafts-Gesellschaft (DLG) für Schweine inkl. der Bedarfswerte für pcv-Aminosäuren.
- Website der Europäische Vereinigung für Tierproduktion (European Federation of Animal Science, EAAP).
Anmerkung: Dieser Artikel erschien ursprünglich als Sonderdruck unter dem Titel "Netto statt umsetzbar" im Fachmedium "dlz agrarmagazin / primus Schwein" (Heft 12/2015) - inzwischen "agrar heute" (Deutscher Landwirtschaftsverlag dlv). Für die Onlineveröffentlichung haben wir den Beitrag inhaltich und aktualisiert und modifiziert.