Hitzestress bei Geflügel: Hechelnde Pute vor Nippeltränke mit Hendel in Putenstall (© Deutsche Tiernahrung Cremer).
Junge Pute ruht an heißem Tag vor Rundtränke im Stall um Hitzestress zu entgehen  (© Deutsche Tiernahrung Cremer)

Hitzestress bei Geflügel ist auf dem Vormarsch. In den letzten Jahren traten Phasen mit extremer Wärmebelastung verstärkt auf. Hohe Außentemperaturen haben jedoch negative Auswirkungen auf das Wohlbefinden und die Gesundheit von Legehennen, Hähnchen, Puten, Gänsen und Enten – vor allem in Verbindung mit hoher Luftfeuchtigkeit. Hitze reduziert das Tierwohl mitunter merklich und bedingt oft eine verminderte Leistung der Herde. Je nach Wetterlage sind hohe Tierverluste eine mögliche Folge. Betriebsleiter*innen sollten sich somit intensiv mit dem Thema Hitzestress, seinen Folgen und den Möglichkeiten befassen, die Abhilfe schaffen. Dieser Beitrag bietet Orientierung.

Ab welchen Temperaturen spricht man bei Geflügel von Hitzestress?

Temperaturen über 27°C bedeuten Hitzestress für Geflügel. Dieser verstärkt sich mit zunehmender Luftfeuchtigkeit. Aber auch moderate Temperaturen (ca. 25°C) in Verbindung mit einer sehr hohen Luftfeuchte (ca. 80 %) können die Schwelle zum Hitzestress überschreiten. An heißen Sommertagen, an denen sich nachts keine wohltuende Abkühlung mehr einstellt, leidet die Herde besonders stark. Dabei sind vor allem ältere Tiere betroffen. Legehennen, Puten (ab der 14. Lebenswoche), Masthühner (ab 20. Lebenstag) sowie Elterntiere unabhängig vom Lebensalter leiden besonders. Bei gemäßigten Temperaturen (< 25°C) und geringerer Luftfeuchte (< 40 %) fühlen sich Legehennen, Puten und Hähnchen hingegen wohl. Dieser Temperaturbereich wird auch als thermoneutrale Zone bezeichnet und gilt als „Wohlfühlbereich“ für die Herde.

Enthalpie – Eine Kennzahl für Hitzestress bei Geflügel?

Zur Beschreibung und besseren Einschätzung der Wärmebelastung, entwickelte der Deutschen Wetterdienst (DWD) eine spezielle Messzahl. Die sogenannte „Enthalpie“ ist eine Kennzahl für die Wärmebelastung von Geflügel, die mithilfe der Temperatur und der relativen Luftfeuchte ermittelt wird. Sie gibt den Gesamtwärmeinhalt der Außenluft an, der sich aus der Temperatur und der relativen Luftfeuchte ergibt. Die Enthalpie wird üblicherweise in Kilojoule (kJ) pro Kilogramm (kg) angegeben. Je höher die Temperatur und relativen Luftfeuchte sind desto schneller wird ein kritischer Enthalpie-Wert (> 50 kJ/kg bzw. > 67 kJ/kg) erreicht.
 

Klassen des Hitzestress basierend auf Enthalpie-Werten

Enthalpie (kJ/kg)

Beschreibung

< 50

kein Hitzestress

50 bis < 58

milder Hitzestress

58 bis < 67

mäßiger Hitzestress

67 bis < 72

starker Hitzestress

≥ 72

extremer Hitzestress

Quelle: Deutscher Wetterdienst (DWD)

Eine Enthalpie von 67 kJ/kg bildet die kritische Obergrenze. Ein solcher Wert in der Außenluft kann im Stall allerdings bereits eine Enthalpie von 72 kJ/kg bedeuten. Beim Überschreiten dieses Wertes tritt bereits nach kurzer Zeit bei Geflügel der Hitzetod ein.

Die tagesaktuellen Kennwerte werden jedes Jahr im Sommer – in der Regel zwischen Mai und September – auf der Internetseite des DWD für alle Regionen in Deutschland (inkl. einer viertägigen Vorhersage) ausgewiesen. Mit Hilfe dieser Kennzahl können sich Geflügelhalter*innen in ganz Deutschland auf extreme Wetterlagen vorbereiten und so Hitzestress in ihrem Bestand vorbeugen.

Enthalpie-Tabelle zeigt Hitzestress bei Geflügel

Hitzestress bei Geflügel wird in Abhängigkeit von Temperatur und relativer Luftfeuchtigkeit ermittelt. Ab einem Enthalpie-Wert von 50 oder mehr spricht man von Hitzestress (© Melanie Frisch; Grafik erstellt von Deutsche Tiernahrung Cremer).
Hitzestress bei Geflügel wird in Abhängigkeit von Temperatur und relativer Luftfeuchtigkeit ermittelt. Ab einem Enthalpie-Wert von 50 oder mehr spricht man von Hitzestress (© Melanie Frisch; Grafik erstellt von Deutsche Tiernahrung Cremer).

Wie entsteht Hitzestress bei Geflügel?

Geflügel besitzt keine Schweißdrüsen. Im Unterschied zum Menschen können die Tiere ihre Körpertemperatur nicht über die Schweißabgabe regulieren. Dies wird bei steigenden Temperaturen zu einem Problem. Je mehr Muskelmasse Geflügel besitzt, umso mehr Wärme wird darin produziert und gespeichert. Zudem wirkt das Gefieder von Geflügel isolierend, was die Temperaturabgabe reduziert. Nehmen die Tiere viel Futter auf, entsteht mit der Verdauung zusätzlich körpereigene Wärme. Oberhalb der thermoneutralen Zone ist Geflügel dann nicht mehr in der Lage, überschüssige Wärme in ausreichender Menge an die Umgebung abzugeben. In der Folge steigt die Körpertemperatur der Tiere auf bis zu 43-44°C an (Normaltemperatur: ~41°C). Die Tiere trocknen aus, die Blutgefäße sind stark geweitet. Dies führt zum Kreislaufversagen und dann zum Hitzetod (s. folgender Abschnitt).

Symptome von Hitzestress bei Geflügel

Bei hohen Umgebungstemperaturen versucht Geflügel Körperwärme verstärkt an die Umwelt abzugeben. Da Geflügel keine Schweißdrüsen besitzt, versuchen sich Legehennen, Puten, Gänse, Enten und Co. anderweitig Kühlung zu verschaffen. Dabei zeigen sich typische Verhaltensweisen, an denen Betriebsleiter*innen Hitzestress erkennen können:

  • hohe Atemfrequenz
  • verstärktes Hecheln
  • gesteigerte Wasseraufnahme (verursacht durch den Flüssigkeitsverlust beim Hecheln)
  • Abspreizen von Flügeln und Federn
  • stärkere Durchblutung der Kopfhaut (erscheint gerötet)
  • reduzierte Mobilität der Herde
  • größere Abstände zwischen den Einzeltieren
  • Aufenthalt der Herde in schattigen und kühlen Bereichen von Auslauf und Stall
  • reduzierte Futteraufnahme
Junge Puten trinken Wasser aus Rundtränke um Hitzestress zu vermeiden (© Deutsche Tiernahrung Cremer).
Junge Puten trinken Wasser aus Rundtränke um Hitzestress zu vermeiden (© Deutsche Tiernahrung Cremer).
Ausgewachsene Puten vor Tränkelinie mit Nippeltränken - frisches kühles Wasser hilft gegen Hitzestress im Sommer (© Deutsche Tiernahrung Cremer).
Ausgewachsene Puten vor Tränkelinie mit Nippeltränken - frisches kühles Wasser hilft gegen Hitzestress im Sommer (© Deutsche Tiernahrung Cremer).

Die bedrohlichen Folgen von zu hohem Hitzestress bei Geflügel

Speziell die reduzierte Futteraufnahme (bei Puten in Extremfällen bis zu 30 %) gefährdet das Tierwohl im Bestand und den wirtschaftlichen Erfolg des Betriebs. Sie führt bei Tieren in der Mast zu geringeren täglichen Zunahmen. Bei Legetieren führt dies zu einer sinkenden Legeleistung kombiniert mit niedrigeren Eigewichten und einer schlechteren Eischalenstabilität. Auch die Nährstoffversorgung ist in der Folge oft nur unzureichend und der Elektrolythaushalt gerät zunehmend durcheinander.

Gestresstes Geflügel leidet deshalb unter einem geschwächten Immunsystem. Bei betroffenen Tieren werden neben den Leistungseinbrüchen oft vermehrt Erkrankungen wie Infektionen mit E. Coli, Federverluste (Halsmauser), aber auch stressbedingte Verhaltensstörungen wie Federpicken und Kannibalismus beobachtet. Bleiben Maßnahmen aus, kann starker Hitzestress zu einem Kreislaufversagen und damit zu Tod der Tiere führen.

Richtiges Management und angepasste Fütterung gegen Hitzestress bei Geflügel

Hitzestress ist eine alljährlich wiederkehrende Herausforderung, der sich mit einer ganzen Reihe unterschiedlicher Maßnahmen begegnen lässt. Die Anpassung betrieblicher Abläufe an unterschiedlichen Stellen bietet Entlastung für Geflügelbestände. Betriebsleiter*innen sollten individuell prüfen, welche Maßnahmen für ihren Betrieb passen.

Fütterung anpassen

Heiße Temperaturen und eine hohe Luftfeuchtigkeit belasten den Kreislauf von Legetieren ebenso wie von Geflügel in der Mast. Um ihn zu entlasten, kann eine Anpassung der Fütterungszeiten sinnvoll sein. In Hitzephasen sollten Sie die Tröge im Stall erst in den kühleren Abendstunden befüllen. So können die Tiere das Futter bis zum Beginn der ersten Morgenhitze aufnehmen. Bei Mastgeflügel empfiehlt sich aus diesem Grund ein Futterentzug ab acht Uhr früh. Diese Anpassung des Tag-Nacht-Rhythmus verlegt die Ruhephasen der Herde in die heißen Stunden des Tages.

Zur Versorgung von Geflügel in der Mast sollten Betriebsleiter*innen zudem die Verfütterung eines Sommerfutters erwägen, das die Leistungsfähigkeit der Masttiere unterstützt. Entsprechende Futter für Tiere in der Mast sind besonders nährstoffkonzentriert, um die reduzierte Futteraufnahme an heißen Tagen auszugleichen. So vermeiden Betriebsleiter*innen Mangelerscheinungen mit allen unliebsamen Folgen. Sommerfutter für Legehennen zeichnen sich demgegenüber beispielsweise durch einen höheren Vitamin-Gehalt (v. a. Vitamin C) aus, der das Immunsystem hitzegestresster Tiere unterstützt. Setzen Sie solche Futter auf Ihrem Betrieb ein und nutzen Sie zusätzlich Tränkwasserzusätze, stimmen Sie die Dosierung unbedingt vorab mit dem bestandsbetreuenden Tiermediziner*in ab.

Wasserversorgung

Die Sicherung der Wasserversorgung in Hitzephasen ist für Geflügel lebenswichtig. Die Tiere benötigen Tag und Nacht Zugang zu kühlem Wasser (Temperatur: ca. 10-12 Grad). Spülen Sie an heißen Tagen die Wasserleitungen mehrmals täglich mit kaltem Wasser. Wasser in Vorratsbehältern (z. B. bei der Legehennenhaltung in Mobilställen) kann sich an heißen Tagen leicht und mitunter stark erwärmen. Tauschen Sie das Wasser daher an Sommertagen idealerweise täglich gegen frisches, gekühltes Wasser aus.

Da die Wasseraufnahme in Frühling und Sommer mitunter stark erhöht ist, passen Sie ggf. die Durchflussrate in den Wasserleitungen an. Selbst am letzten Nippel der Tränkelinie müssen Sie einen ausreichenden Wasserdruck sicherstellen, um alle Tiere in der Herde gleichermaßen zu versorgen.

Stress vermeiden

Hitzestress belastet den Kreislauf und verursacht Stress im Geflügelbestand. Betriebsleiter*innen tun deshalb gut daran, weitere Stressoren auf Ihrem Betrieb zu eliminieren, um die Herde nicht zusätzlich zu belasten. Aus diesem Grund sollten Sie alle nicht zwingend notwendigen Arbeiten im Betrieb in Hitzephasen zumindest pausieren. Hierzu zählt beispielsweise das Ausmisten. Sind Arbeiten nötig, legen Sie diese idealerweise in die noch kühlen Morgenstunden (z. B. frisch Einstreuen). Auch Um- und Ausstallen nehmen Sie am besten in den Morgen- oder Nachtstunden vor. Wenn es angebracht ist, sollte man die besonders gefährdeten Putenendmasthähne vorzeitig schlachten.

Kühltechnik

Je nach geographischer Lage und Bauweise des Stalles kann die Wärmebelastung sehr unterschiedlich ausfallen. Konzipieren Sie die Lüftung so, dass im Tierbereich ein ausreichender Luftaustausch erreicht wird, das heißt ausreichend Frischluft zugeführt und überschüssige Wärme abtransportiert wird. Ist dies nicht zu gewährleisten, sollten Betriebsleiter*innen die Anschaffung eines Kühlsystems erwägen oder das Platzangebot für die Tiere überprüfen. Dies gilt insbesondere für Tiere in der Endmastphase.

Technikcheck

Überprüfen Sie grundsätzlich die Funktionsfähigkeit der technischen Einrichtungen in Ihrem Betrieb. Planen Sie Wartungsarbeiten und ausstehende Reparaturen zeitnah ein. Die Corona-Krise hat es gezeigt: Unterbrechungen der Lieferketten können schnell zu Lieferengpässen, Verspätungen und Ausfällen führen. Kaufen Sie Ersatzteile für sicherheitsrelevante Einrichtungen idealerweise auf Vorrat und nicht erst, wenn Sie diese benötigen.

Digitale Systeme erleichtern die Überprüfung und Kontrolle des Betriebs. Allerdings können Netzwerkprobleme, Stromausfälle oder Unwetter die betrieblichen Abläufe sowie die Funktionsfähigkeit des Betriebs insgesamt gefährden. Vertrauen Sie der Technik deshalb nicht blind. Überzeugen Sie sich stattdessen regelmäßig von der Funktionsfähigkeit aller Bereiche des Stalls. Zur Stromversorgung im Notfall ist ein funktionsfähiges Notstromaggregat wichtig und eine stets einsatzbereite Alarmanlage sollte ebenfalls vorhanden sein.

Wettercheck

Durch das tägliche Abfragen und Auswerten der Wettervorhersage kann man sich vor Überraschungen schützen. Stellen Sie sicher, dass bei extremen Wetterlagen stets ein*e Tierbetreuer*in abrufbereit ist. So haben Sie direkt Unterstützung zur Hand und können bei Störfällen sofort handeln.

Bewegen Sie das Geflügel zugleich durch zusätzliche Kontrollgänge über Tag regelmäßig zum Aufstehen. So erleichtern Sie das Abführen der Stauungswärme und animieren die Tiere zugleich zur zusätzlichen Wasseraufnahme.

Pflanzliche Tränkezusätze unterstützen Geflügel bei Hitzestress

Hitzestress verursacht negative Auswirkung auf die Leistung und Physiologie von Geflügel. So erhöht sich unter Hitzestress die Atemfrequenz der Tiere um das bis zu zehnfache (Hecheln bzw. Kehlflattern). Untersuchungen haben gezeigt, dass Pflanzenextrakte und sogenannte Phytomoleküle eine befreiende Wirkung auf die Atmung haben können. Hierzu zählen beispielsweise Methol, Cineol und Anethol. Die chemischen Verbindungen finden sich in der Natur in Pflanzen wie Eukalyptus, Pfefferminze oder Fenchel bzw. den aus ihnen gewonnen ätherischen Ölen. Sie zeigen positive Effekte auf die Atemwege, wirken schleimlösend und antibakteriell. Eine Gabe kann mithilfe entsprechender Tränkezusätze (z. B. Incona Respirum) erfolgen und unterstützt so gerade in Phasen von großem Hitzestress.

 

Fazit: Hitzestress bei Geflügel – richtig handeln! Aber wie?

  • Im Sommer kann Hitzestress Gesundheit und Leistung ihrer Geflügelherden negativ beeinflussen.
  • Hitzestress bei Geflügel beginnt, wenn Außentemperaturen und rel. Luftfeuchtigkeit ein gewisses Maß übersteigen. Details liefert eine Tabelle des Deutschen Wetterdienstes (s. o.).
  • Eine wichtige Kennzahl zur Bestimmung von Hitzestress ist die Enthalpie, die der Deutschen Wetterdienstes (DWD) regelmäßig veröffentlicht.
  • Bleibt Hitzestress bei Legetieren und Mastgeflügel gleichermaßen unbehandelt, drohen schwerwiegende Folgen – vom vermehrten Auftreten von Infektionen, über Leistungseinbußen bis hin zum Tod der Tiere.
  • Betriebsleiter*innen sollten mit unterschiedlichen Maßnahmen, bei denen auch die Umstellung auf eine Sommerfütterung eine wichtige Rolle spielt, gegensteuern und Stress im Bestand reduzieren.
  • Die Umstellung der Fütterung auf ein Sommerfutter kann sinnvoll sein. Fragen Sie Ihre*n Fütterungsberater*in.

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