Fleckvieh an Futtertisch beim Fressen einer Maissilage-haltigen Ration (© Mulderphoto – stock.adobe.com).
Bullen Fressen eine mit Harnstoff angereicherte Ration aus Maissilage an Futtertisch (© Countrypixel – stock.adobe.com).
Landwirt und deuka-Berater besprechen Harnstoff-Fütterung an Futtertisch (© Deutsche Tiernahrung Cremer).

Rohproteinarme Grassilagen mit hohem Zuckergehalt, stärkereiche Maissilagen sowie der Einsatz hofeigenen Getreides erfordern hohe Mengen an Proteinergänzern in den Rationen. Speziell bei hohem Preisniveau am Eiweißmarkt ist es wichtig, die verfütterte Ration zu optimieren. Priorität hat dabei die tier- und leistungsgerechte Versorgung von Milchvieh und Bullen. Dennoch ist auch die Wirtschaftlichkeit ein Faktor, den man im Auge haben sollte. Der Einsatz von Harnstoff kann hier hilfreich sein und sollte von jedem Betrieb geprüft werden.

Zusätzlicher Stickstoff für wertvolles Mikrobenprotein bei Rindern durch Harnstoff

Harnstoff ist eine Nicht-Protein-Stickstoff(NPN)-Verbindung. Mit einem Anteil von >45 % Stickstoff (N) eignet sich Harnstoff zur Optimierung der Versorgung von Mastrindern und Milchkühen mit pansenverfügbarem Stickstoff. Im Pansen wird Harnstoff schnell und vollständig zu Ammoniak (NH3) abgebaut. Sind dort zudem Energie (Zucker, Stärke) und Mineralstoffe in ausreichender Menge vorhanden, wird das NH3 von den Pansenmikroben zu wertvollem Mikrobenprotein mit allen wichtigen essenziellen Aminosäuren aufgebaut. Diese stehen den Tieren anschließend im Dünndarm zur Verfügung.

Harnstoff: natürlicher Bestandteil des Protein-Stoffwechsels

Rinder bauen nicht-pansenstabile Eiweißfraktionen im Pansen zu NH3 ab. Neben dem Aufbau von Mikrobenprotein wird zur Entgiftung von überschüssigem NH3 täglich bis zu 500 g Harnstoff in der Leber synthetisiert. Dieser gelangt anschließend teilweise über den Speichel zurück in den Pansen, wo er wieder für die mikrobielle Proteinsynthese verfügbar ist. Im Gegensatz zu Monogastriden, die überschüssigen Stickstoff ausschließlich über den Urin ausscheiden, können Wiederkäuer den Stickstoff so zum Teil wiederverwerten. Dieser Vorgang wird auch als ruminohepatischer Kreislauf oder Pansen-Leber-Kreislauf bezeichnet. Damit ist Harnstoff ein natürlicher, körpereigener Bestandteil des Proteinstoffwechsels bei Wiederkäuern.

Folgen eines Mangels von mikrobiell verfügbarem Stickstoff

Lässt sich die Stickstoffversorgung der Mikroorganismen nicht sicherstellen, droht ein entsprechender Mangel. Dieser bewirkt eine Verlangsamung der Mikrobentätigkeit, verschenkt Potenzial bei der mikrobiellen Proteinsynthese und verursacht eine schlechtere Ausnutzung der Energiekomponenten. Eine Minderversorgung mit NH3 äußert sich durch Auftreten eines oder mehrerer der folgenden Symptome:

  • unverdaute Bestandteile im Kot (z. B. Stärkebestandteile aus der Maissilage)
  • fester Kot
  • verminderte Passagerate im Pansen
  • Verringerung der täglichen Futteraufnahme
Bullen Fressen eine mit Harnstoff angereicherte Ration aus Maissilage an Futtertisch (© Countrypixel – stock.adobe.com).
Bullen Fressen eine mit Harnstoff angereicherte Ration aus Maissilage an Futtertisch (© Countrypixel – stock.adobe.com).

Harnstoff als Bestandteil zum Ausgleich eiweißarmer Rationen

Der Einsatz von Mischungen mit Harnstoff eignet sich zum Ausgleich proteinarmer Rationen. Hierzu zählen beispielsweise Rationen mit einem mittleren bis hohen Anteil an Maissilage, Getreide oder proteinarme aber zuckerhaltige Grassilagen. Bei Fütterung dieser Rationen lässt sich eine ausreichende NH3-Versorgung der Mikroorganismen im Pansen oft nur mit zugesetztem Futterharnstoff sicherstellen. Deshalb eignen sich Mischungen mit Harnstoff auch hervorragend für Bullen, da Bullenrationen als Grundfutter viel oder ausschließlich Maissilage enthalten.

Grundfuttermittel mit viel löslichem Stickstoff eignen sich demgegenüber weniger gut für den Harnstoffeinsatz. Werden beispielsweise nasse Grassilagen verfüttert, sollte Harnstoff nicht oder nur in geringen Mengen zum Einsatz kommen.

Rationsberechnung: Grundlage des Einsatzes von Futterharnstoff

Bedingung für den erfolgreichen Einsatzes von Harnstoff ist die Durchführung einer Rationsberechnung. Nur wenn der Harnstoffeinsatz optimal an die Gesamtration angepasst ist und gut mit den übrigen Bestandteilen der Ration synchronisiert ist, lassen sich bestmöglich positive Effekte erzielen. Bei der Rationsberechnung ist auch zu beachten, dass Hochleistungskühe nicht nur einen hohen Stickstoffbedarf im Pansen besitzen, sondern besonders viel pansenstabiles Eiweiß (UDP), nutzbares Rohprotein am Duodenum (nXP) und dünndarmverfügbare Aminosäuren benötigen. Harnstoff ist nur zur Versorgung von Tieren mit entwickeltem Pansen zugelassen.

Harnstoff rundet Proteinergänzer sinnvoll ab

Aufgrund seines Stellenwerts im Eiweißstoffwechsel kommt Harnstoff vor allem in den vielseitig einsetzbaren Proteinergänzern zum Einsatz. Hier bildet er zusammen mit – geschützten, ungeschützten, langsamen und mittelschnellen – Eiweißkomponenten sowie Energieträgern unterschiedlicher Abbauraten die Grundlage für eine ideale Pansen-Synchronisation und sorgt damit für eine optimale Verdauung. Harnstoff lässt sich über Mischfutter optimal und gleichmäßig dosieren. Wird der Harnstoff über Proteinergänzer verfüttert, entfällt zudem eine Anzeige- und Aufzeichnungspflicht. Informationen zur Menge des Harnstoffs im Futter sind in der Deklaration ausgewiesen (s. Infobox).

So wird Harnstoff in Mischfutter deklariert

Auf der Futtermitteldeklaration findet man Harnstoff unter den Zusatzstoffen. Die Angabe erfolgt in Milligramm je Kilogramm (mg/kg). 20.000 mg/kg entsprechen beispielsweise 2 % Harnstoff. Zusätzlich finden sich hier weitere relevante Angaben wie „Rohprotein aus NPN“ (Nicht-Protein-Stickstoff-Verbindungen). Ein Proteinergänzer mit 2 % Harnstoff beinhaltet beispielsweise 5,7 % Rohprotein aus NPN.

Berechnung: Harnstoff enthält 45,6% Stickstoff (N) x 6,25 (Umrechnungsfaktor von N auf Rohprotein). Dies ergibt 285 g Rohprotein x 2 % Harnstoff geteilt durch 100 = 5,7 % Rohprotein aus NPN-Verbindungen.

Fleckvieh an Futtertisch beim Fressen einer Maissilage-haltigen Ration (© Mulderphoto – stock.adobe.com).
Fleckvieh an Futtertisch beim Fressen einer Maissilage-haltigen Ration (© Mulderphoto – stock.adobe.com).

Harnstoff möglichst über ein Mischfutter zugeben

Eine gleichmäßige Verabreichung von Harnstoff, um beim Tier eine kontinuierliche, über den ganzen Tag verteilte Aufnahme sicherzustellen, ist Grundvoraussetzung für den Harnstoffeinsatz. Landwirt*innen haben die Mischgenauigkeit in der Ration deshalb exakt zu überprüfen, was bei Verwendung von Harnstoff in reiner Form sehr schwierig ist. Da Futterharnstoff wasserlöslich ist, ist zudem auf eine trockene Lagerung zu achten. Auf Grund dessen ist die Verfütterung von Harnstoff als Bestandteil eines Proteinergänzers wesentlich einfacher und exakter.

Beginnen Landwirt*innen neu mit dem Einsatz von Harnstoff, sollten sie eine Verschnittphase von ein bis zwei Wochen einplanen, da sich Pansenmikroben nur langsam an neue Komponenten in der Ration gewöhnen. Während dieser Zeit sollte der Anteil kontinuierlich bis zur gewünschten Menge gesteigert werden.

Einsatzempfehlungen für die Verfütterung von Harnstoff

Nutzungsrichtung

Einsatzempfehlung

Gesetzlicher Höchstgehalt

Milchkühe (Tiere mit entwickeltem Pansen)

Bis zu 0,5 % der gesamten Futter-TM oder 15 g / 100 kg LG

10 g / kg TM und maximal 30 % des Gesamtstickstoffs der Ration aus Harnstoff

Mastrinder (ab 200 kg)

Bis zu 0,5 % der gesamten Futter-TM oder 15 g / 100 kg LG

Quelle: Aus: „Merkblatt Harnstoff“ der Bayerischen Landesanstalt für Landwirtschaft des Instituts für Tierernährung und Futterwirtschaft (Stand: Januar 2021).

Wichtig: Beim Einsatz von Harnstoff sind die vorgegeben Mengen unbedingt einzuhalten.

Registrierungspflicht bei Einsatz von Harnstoff in Reinform

Wird Harnstoff „pur“ eingesetzt und der Ration zugegeben, gilt er als Zusatzstoff. Deshalb ist er entsprechend zu registrieren (EG-Verordnung Nr. 183/2005). Das bedeutet, dass der Harnstoffeinsatz der zuständigen Futtermittelüberwachungsbehörde anzuzeigen ist. Zusätzlich müssen Landwirt*innen den Behörden detaillierte Aufzeichnungen über die Verfütterung gemäß HACCP (engl. für „Gefahrenanalyse und kritische Kontrollpunkte“) aushändigen. Eine beispielhafte Vorlage können Sie dem „Merkblatt Harnstoff“ der Bayerischen Landesanstalt für Landwirtschaft des Instituts für Tierernährung und Futterwirtschaft (Stand: Januar 2021) entnehmen. Bitte beachten Sie, dass in anderen Bundesländern (mitunter) andere Vorgaben bestehen.

Fazit

  • Harnstoff ist ein natürlicher, körpereigener Bestandteil des Proteinstoffwechsels von Wiederkäuern.
  • Futterharnstoff sollten Sie nur gemeinsam mit leicht verdaulichen Kohlehydraten (Zucker, Getreide- und Maissilagestärke) verfüttern.
  • Nahezu alle Rationen lassen sich durch Einsatz von passenden Harnstoffzugaben optimieren. Eine Ausnahme bilden Rationen mit hohem Anteil löslichen Stickstoffs (z. B. nasse Grassilagen).
  • Grundlage des Harnstoffeinsatzes ist eine Rationsberechnung.
  • Bei der Dosierung und Handhabung sollten Landwirt*innen Empfehlungen und Vorgaben beachten, um ein optimales Ergebnis zu erzielen.

Weiterführende Informationen

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